WM 2018 in Russland: Hat Deutschland noch Chancen auf den Einzug ins Achtelfinale?
Mit dem Sieg Schwedens gestern Abend gegen Südkorea beginnt für Deutschland jetzt das Zittern und Bangen. Besteht noch Hoffnung für den Weltmeister? Ein paar Überlegungen dazu.
Es hätte alles so schön werden können, doch dann kam alles anders. Deutschland hat sein Auftaktspiel zur WM gegen Mexiko verloren. Damit hatten die wenigsten wohl gerechnet. Wohl auch Bundestrainer Joachim Löw nicht. Kein Reus, kein Brandt, kein Goretzka, kein Gündogan (von Sané ganz zu schweigen) - Löw scheute den Überraschungsmoment und setze stattdessen auf Stammkräfte, die sich als Weltmeister schon einmal bewährt haben.
Die Taktik hätte ja auch zum Erfolg führen können. Aber Mexiko hat diesen leicht durchschaubaren Plan des Weltmeister-Trainers entschlüsselt und zunichtegemacht. Hinzu kommt, dass einige der etablierten Spieler im ersten Gruppenspiel einen eher enttäuschenden Auftritt hinlegten. Gegen Mexiko kann man schon mal verlieren. Entscheidend ist aber, wann und wie.
Hätte, hätte ...
Im Interview auf dfb.de sprach Jerome Boateng gestern die Defizite der Mannschaft an. Auf die Frage nach den Gründen für die herbe WM-Niederlage gestand der Innenverteidiger: "Teilweise hat uns die Leidenschaft gefehlt". Das dürfte nicht wenigen Zuschauern auch aufgefallen sein. Manuel Neuer sprach in der heutigen Pressekonferenz vom fehlenden Mut und Vertrauen. Warum das aber so ist, weiß auch der viermalige Welttorhüter nicht.
Die Frage, die man sich in vielen Wohnzimmern und Fußballkneipen nach dem müden Auftaktkick deshalb jetzt erst recht stellt: Ist die Luft draußen, weil man vor vier Jahren den Weltmeistertitel bereits gewonnen hat? Deutschland wäre nicht der erste Weltmeister, dem dieses Schicksal widerfährt. 2002 traf es Frankreich, Italien musste 2010 dran glauben und 2014 waren es die Spanier, die als amtierender Weltmeister bereits nach der Vorrunde die Heimreise antreten durften.
Leidet der Weltmeister unter Titel-Unlust?
Was so einfach und an den Haaren herbeigezogen klingt, ist gar nicht so abwegig. Selbst bei den Fans gab es bereits vor dem WM-Start vermehrt Stimmen, die von einem fehlenden WM-Fieber, sogar von einer WM-Unlust sprachen. Was nicht heißen soll, dass die Fans nun die alleinige Schuld am müden Auftritt des DFB-Teams haben. Aber es zeigt, dass Leidenschaft und Euphorie, das Brennen für eine Sache wichtig sind und sogar der entscheidende Funken zum Erfolg sein kann. Mexikos Fans und Spieler waren bis zu den Zehenspitzen mit Leidenschaft ausgestattet, was man nach Spielende an den emotionalen Ausbrüchen auf dem Platz und den Rängen sehen konnte.
Leidenschaft und Euphorie entsteht durch Begehrlichkeiten, wächst aus Zielen, zumeist sehr ehrgeizigen Zielen, die man sich gesetzt hat, weil man sie noch nie oder schon lange nicht mehr erreicht hat. Weltmeister war Deutschland ja gerade erst. Ist zweimal hintereinander Weltmeister nicht doppelt so schön wie beim ersten Mal?
Als Fan des DFB-Teams fängt man nun mit dem Rechnen an
Zeit für lange Ursachenforschung bleibt Bundestrainer Joachim Löw jetzt nicht. Am Samstag (20 Uhr) steht das Alles-oder-Nichts-Spiel gegen Schweden an.
Wenn Deutschland gegen Schweden und Südkorea gewinnt, Schweden gegen Mexiko gewinnt, Mexiko gegen Südkorea drei Punkte holt, dann haben drei Mannschaften in der Gruppe F sechs Punkte auf dem Konto. Dann ist aber auch nur eines sicher: Südkorea muss nach Hause fahren. Ob Deutschland dann schon das Achtelfinale erreicht hat, hängt von der Tordifferenz und der erzielten Tore ab. Oder am Ende vom Direktvergleich.
Es führt also kein Weg dran vorbei: Deutschland muss beide Partien gewinnen (möglichst mit vielen erzielten und wenig gefangenen Treffern), um noch Chancen auf das Achtelfinale zu haben. Mit viel Leidenschaft und Einsatz könnte genau das der Schlüssel zum Erfolg sein.
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